Tag 122

 

Heute ist der 04.11.2017.

 

Kurz vor der anstehenden Entlassung betrachte ich von meinem Krankenbett mit einer gewissen Wehmut die Welt außerhalb der Station und musste feststellen, dass  ich zwei Theateraufführungen verpassen würde. Die wirklich negative Seite der Krankheit ist, dass ich an vielen Ereignissen nicht teilnehmen kann. Ich sehne mich nach der Zeit, an welcher die Selbstbestimmung zurückkehrt, und ich alleine entscheiden kann was als nächstes geschieht. Doch bei einer solchen Erkrankung ist es mit der Selbstbestimmung einfach dahin. Beispiel gefällig:

 

Gestern war mal wieder eine Knochenmarkpunktion fällig. Zur Klärung wie viel Material zur Untersuchung benötigt wird, wurde meine behandelnde Ärztin gerufen. Mir war sofort klar, dass mein Körper noch nicht genug gegeben hatte, und so wurde fleißig weiter in meinem Beckenknochen gebohrt. Dem nicht genug wurde mir zwischendurch verkündet, dass die nächste Blina-Phase am 13.11. beginnen soll. Als Patient ist man verraten und verkauft. Es wird nicht erklärt, es wird nur verordnet. Die weitere Blina-Behandlung wird einfach durchgeführt! Warum? Weshalb werden die MRD Ergebnisse nicht abgewartet? Es kotzt mich an! Warum gibt es keinen neutralen Dritten, der einem Patienten in aller Ruhe alle Fragen zur Behandlung beantwortet? In den letzten Wochen komme ich mir vor, als würde ich auf einem Fließband behandelt werden. Der Arzt hat 5 Minuten Zeit, dann kommt der nächste Patient. Individuelle Beratung inkl. der Abwägung ob ein weiteres Medikament notwendig ist; FEHLANZEIGE. Aber die Politik und die Krankenkassen haben es ja so gewollt: Ein Krankenhaus muss Ertrag erwirtschaften. Der Patient füllt die Kassen, und je mehr Patienten durch die Maschinerie geschleust werden, desto besser das Ergebnis. Einzelschicksale? Unerwünscht.  

 

Aber egal, kaum war ich den Blinabeutel los, ging es mir schlagartig besser. Die Energie kehrt binnen wenigen Stunden zurück und ich war glücklich wieder bei der Familie zu sein. Einschränkungen bestehen nur an den Schleimhäuten,. Die Lippen und die Zunge sind super empfindlich! Glücklicherweise schmeckt seit gestern das Bier wieder. Am Geburtstag meiner Frau ging mir der Gerstensaft noch „runter wie ein Würfel“, aber getrunken habe ich es trotzdem. Die Wiederentdeckung des Geschmackes für das Bier kommt rechtzeitig, denn heute Abend ist die Demierre unseres Theaterstückes, und ich kann dabei sein. FREUDE!!!!

 

1.      Gesundheitszustand aufzeigen (Skala 1 – schlecht – 10 = sehr gut)

 

2.      Panik-Faktor

 

3.      Song des Tages

 

4.      Und falls mich meine Muse küsst (oder das Internet), gibt es noch eine Weisheit des Tages obendrauf

 

 

 

1 =  8,5

 

2 =  1,0

 

3 = „I´m walking“ Fats Domino

 

4 = Ein freundschaftlicher Hinweis an alle Ärzte: Erst kommt der Mensch, dann der Patient.

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Irene (Sonntag, 05 November 2017)

    Ausgeliefert der Krankheit, den Medikamenten und dem Gesundheitssystem = super.
    Kraft und Stärke schicke ich dir mit Guten Gedanken. Um so intensiver wirst du die Zukunft erleben.

  • #2

    Andi + Anja (Dienstag, 07 November 2017 11:59)

    Habe mich lange nicht mehr gemeldet - Alltags- und Vorweihnachtsstress. Lass Dich ja nicht unterkriegen und weiterhin beste Genesung. Wir hoffen die Theaterpremiere ist gelungen und es ist genauso lustig und kurzweilig wie letztes Jahr. Schön, dass Du dabei sein kannst. Zu Punkt 4: "Denn Sie wissen nicht was Sie tun"
    LG Andi + Anja

  • #3

    Thomas (Mittwoch, 08 November 2017 08:20)

    Ich bin sehr froh dass du wieder zuhause bist und den Geburtstag von Sylvia Zuhause genießen konntest.
    Jedoch der Umgang deiner Ärzte Dir gegenüber finde ich sehr verantwortungslos. Ein guter Arzt muss doch dem Patienten immer zu erst als Menschen sehen. Er sollte ihm die gleiche Aufmerksamkeit und Wertschätzung geben, die er, wenn er selbst der Patienten wäre, erhalten wollte. Und dazu gehört auch die Besprechung der Behandlung mit dem Menschen wessen Leben er beeinflusst!
    Du lieber Jogi,
    hast uns allen mit deinem Blog die Möglichkeit gegeben, deinen Freunden den Weg mit deiner Herausforderungen (Krankheit) zu bekleiden, jedoch wünsche ich mir, das hier auch manchmal deine behandelnden Ärzte reinschauen.
    Und ich bin mir ganz sicher, wenn man die Gewissheit hätte, dass Sie den Blog mitverfolgen würden,
    “jeder deiner Freunde“, würde ihnen hier auch gerne ein paar Worte dazu schreiben.
    Mit vielen gesundheitlichen Wünschen!!!

  • #4

    Stan Kowalski (Mittwoch, 08 November 2017 15:04)

    Ich bin’s mal wieder nach einiger Zeit
    War viel los in den letzten Wochen (u. a.) Geburt von Emil.
    Die von dir geschilderte Situation bei der Behandlung ist echt zum k...
    Können wir aber leider nicht ändern. Wir denken an dich und drücken alle verfügbaren Daumen und sonstige Körperteile.
    Keep going